Ein paar schwierige Fälle

Einer meiner letzten Nachtdienste war tatsächlich fast ausschließlich von Notfällen geprägt, man stelle sich vor! Dankbar blicke ich darauf zurück, denn für Notfälle sind wir ja da und stehen auch gern auf. Der eine von 39 Fällen, der nicht unbedingt einer war, kostete mich dann auch nur ein freundliches Auge-Zudrücken. Die Dame hatte zwar Rückenschmerzen und wollte ein bekanntes, streng rezeptpflichtiges Schmerzmittel einfach so kaufen, aber sie akzeptierte mein Nein, wenngleich sie sich aber auch nicht zu einem anderen Schmerzmittel überreden ließ. „Dann lieber nur Johanniskrautöl“, verlangte sie und sah Gott sei Dank meinen erstaunten Gesichtsausdruck nicht. „Und wenn ich schon da bin, dann hätte ich auch noch gern meine Tages- und Nachtcreme eingekauft.“ Sie sagte das so charmant, dass ich ihr nicht böse sein konnte und kein Aufheben um das Wort „Notfall“ machte. Aber sonst, bis in die Nacht hinein, gab es tatsächlich nur ernst zu nehmende KundInnen!

Auch am Telefon, obwohl es da auch eine Geschichte gab, die ich nur mit viel Einfühlungsvermögen lösen konnte. „Ich habe eine eitrige Bindehautentzündung“, jammerte die Dame am anderen Ende der Leitung. Oje, dachte ich mir, sicher will sie eine antibiotikahaltige Salbe ohne Rezept kaufen. Weit gefehlt. Nachdem sie bestätigte, schon beim Arzt gewesen und mit einer solchen Salbe ausgestattet zu sein, kam sie zum Punkt. „Mir ist etwas Gefährliches passiert. Ich habe ein Sesamweckerl gegessen. Plötzlich musste ich niesen, und – ich weiß selber nicht, wie, aber ich habe hinter die Brille ins entzündete Auge geblasen. Jetzt frage ich mich, ob ich ein Sesamkörnchen im Auge habe und wie ich das merken würde? Soll ich den Notarzt anrufen?“ Ich konnte nicht umhin, zu grinsen, aber das merkte sie ja Gott sei Dank nicht. Auch diese Dame war äußerst liebenswürdig. Auf meine Frage, ob sie Schmerzen hätte oder das Gefühl, einen Fremdkörper im Auge zu haben, verneinte sie. „Wie würde sich das denn anfühlen? Wie ein Metallsplitter?“ Ich beruhigte sie – ein Sesamkörnchen sei doch ein wenig weicher als ein Metallsplitter. Ich riet ihr, in den Spiegel zu schauen, was sie noch am Telefon tat. Nachdem sie nichts entdecken konnte, war sie einigermaßen beruhigt. Gerne hätte sie noch weitergeplaudert, aber die nächsten KundInnen warteten schon.

Anders lief es bei meiner lieben Kollegin, die extra nach Wien kam, um mich in der Weihnachtszeit zu vertreten. Danke an dieser Stelle nochmals, liebe Frau Kollegin! Jung und offen, kam sie schon mit der Voraussetzung, dass Wien ein bisserl anders sei – eine gute Einstellung, die äußerst nützlich ist, vor allem, wenn man in Meidling arbeitet. Die Anfrage einer Dame um Hilfe bei einem Auftragsmord riet ich ihr, eher nicht ernst zu nehmen. Trotzdem war sie kurz verwirrt. „Ist das normal bei euch?“ „Na ja, Meidling ist halt noch ein bisserl anders“, simste ich zurück. Ich glaube, sie hat sich ganz gut gehalten und diverse Aufregungen gut gemeistert. Bestimmt gibt es aber außerhalb von Wien Situationen, die wir in der Stadt wiederum vielleicht nicht so gut kennen …