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Eine Nahaufnahme eines hübschen 92-jährigen Mannes, der an einem schönen Herbsttag im Freien lächelt.

Medikationsanalyse: COPD

Pharmaceutical Tribune

MEDIKATIONSANALYSE – TEIL 09 – Ein 74-jähriger Patient mit COPD wird aufgrund einer akuten Exazerbation stationär aufgenommen. Er klagt über Atemnot und Angstzustände. Zudem stellt sich heraus, dass seine Entzündungsparameter entgleist sind. Zeit für eine Medikationsanalyse.

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Fallbeispiel

Ein 74-jähriger Herr mit COPD wird aufgrund einer akuten Exazerbation auf die interne Station aufgenommen. Er kommt mit akuter Atemnot, damit verbundenen Angstzuständen und entgleistem Entzündungslabor.

Medikationsliste der Patienten

Fosinopril/HCT 20mg/12,5mg 1-0-0-0
Lansobene Kps. 15mg 1-0-0-0
Torasemid 10mg 1/2-0-0-0
Spiriva Lsg. Respimat 2,5µg 2-0-0-0
Symbicort 320µg fte 1-0-1-0
Pariboy Mucosolvan 4ml, Sultanol 5gtt, Pulmicort 1mg 1-1-1-0

Diagnosen

COPD III akute Exazerbation Z.n. infektexaz. COPD mit Pneumonie
Arterielle Hypertonie Z.n. akute Exazerbation COPD
Z.n. GERD Z.n. antibiot. beh. resp. Infekt

Laborparameter: QTc=405ms, Crea=1,2, CRP=22,9, Leukozyten=12,2

Stationär wird zusätzlich verordnet

Urbason i.v. 32mg 1-0-0-0 am 1. Tag und ab dem 2. Tag ½-0-0-0
Curam i.v. 2000/200mg 1-1-1-0
Aprednislon Tbl. 25mg 1-0-0-0
Mucobene lösliches Pulver 600mg 1-0-0-0
Lovenox s.c. 40mg 0-0-1-0
Combivent Inhalationslösung 1-1-0-1
Vendal orale Lösung 5mg/ml bei Bedarf 1ml bis max. 4x pro Tag
Novalgin Ampullen i.v. bei Bedarf 1g bis max. 4x pro Tag
Hinweise: Die im Fall angeführten Fertigarzneimittel wurden wertfrei für die enthaltenen Wirkstoffe bzw. -kombinationen ausgewählt. Die genannten Produkte stehen damit für alle vergleichbaren Präparate. Bei den Fallbeispielen handelt es sich um Lehrbeispiele, die möglichst praxisnah formuliert wurden. Es besteht daher keinerlei Abklärungsbedarf hinsichtlich einer allfälligen Pharmakovigilanzmeldung.

Lerntext

Definition COPD:

COPD oder chronic obstructive pulmonary disease ist eine chronische Lungenerkrankung, bei der die Atemwege dauerhaft verengt sind. Sie geht mit typischen Symptomen wie Husten, Auswurf und Atemnot, zunächst bei körperlicher Belastung, später auch im Ruhezustand, einher. COPD ist nicht heilbar und fortschreitend. Wenn die Lungenbläschen zerstört oder irreversibel überbläht sind, spricht man von einem Emphysem, welches auch zum Krankheitsbild COPD zählt.

Der mit Abstand häufigste Grund für die Entwicklung einer COPD ist Tabakrauch. Viele betroffene Patienten sind starke Raucher oder haben früher stark geraucht. Andere Verursacher einer COPD können Passivrauchen, Luftverschmutzung, Stäube und Giftstoffe (oft arbeitsbedingt), häufige Infekte, Asthma, Tuberkulose oder erbliche Veranlagungen sein.

Aufgrund dieser Noxen kann sich die Schleimhaut dauerhaft entzünden und es entsteht ein bleibender Schaden: Die Lunge kann sich nicht mehr selbst reinigen, Schleim kann nicht mehr abtransportiert werden, die Atemmuskulatur verkrampft sich. Durch die bestehende Entzündung schwillt die Schleimhaut in den Bronchien an und verdickt sich. Dadurch sind die Atemwege verengt, die Ausatmung dauert länger, was bewirkt, dass die Einatmung schneller und kraftvoller erfolgen muss – ein Prozess, der anstrengend ist und viel Energie kostet.

Typisch für COPD ist, dass auch nach einer Inhalation mit atemwegserweiternden Medikamenten diese Verengung der Bronchien nicht oder nicht vollständig verschwindet. Langfristig kommt es zu einem Luftstau, der die Sauerstoffaufnahme behindert und die Abgabe von Kohlendioxid aus der Lunge erschwert.

Exazerbation:

Von einer Exazerbation spricht man bei einer akuten oder latenten Verschlechterung der COPD, die 2 Tage oder länger anhält. Dies kann verursacht werden durch Grippe oder andere Infekte, Smog, bestimmte Medikamente oder Begleiterkrankungen.

Symptome für eine Exazerbation können sein:

  • Verstärkte Atemnot
  • Husten
  • Vermehrte Schleimbildung
  • Zäherer Schleim
  • Veränderte Farbe des Auswurfes (gelb-grün)
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber

COPD-Leitlinie:

Für Diagnostik und Therapie werden vorwiegend die COPD-GOLD-Leitlinien verwendet, welche 2022 aktualisiert wurden. Als geeignete Ergänzung dazu verwendet man die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) aus Deutschland. In Österreich gibt es die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie, das Pendant zur Deutschen Atemwegsliga. Die Schwere der COPD-Erkrankungen werden grundsätzlich in GOLD-Stadien 1–4 eingeteilt, je nach spirometrischer Einsekundenkapazität (FEV1) nach Anwendung eines Bronchodilatators. Man spricht von einer milden COPD (1) bei einer FEV1 ≥80%, moderater COPD (2) bei 50–79%, schwerer COPD (3) bei 30–49% und sehr schwerer COPD (4) bei unter 30%. Diese Einteilung wird kombiniert mit einer Einteilung nach Symptomatik und Exazerbationsrisiko nach A, B, C, D.

Leitliniengerechte Therapie:

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Den größten Einfluss auf den natürlichen Verlauf einer COPD Erkrankung wird dem Tabakrauch zugeschrieben. Patienten, die mit dem Rauchen aufhören, haben eine deutlich bessere Prognose und erfahren ein langsameres Fortschreiten ihrer COPD. Raucher sollten beratend von medizinischem Personal unterstützt und ermutigt werden aufzuhören und die Möglichkeit haben, Nikotinersatzprodukte zu erhalten.

Β2-Agonisten

Bronchodilatatoren vom β2-adrenergen Typ relaxieren die Lungenmuskulatur, erweitern die Atemwege und führen somit zu einer Erleichterung der Atmung. Es gibt langwirksame Bronchodilatatoren (LABA – long acting β-agonists), die mindestens 12 Stunden wirken und kurzwirksame Bronchodilatatoren (SABA – short acting β-agonists), die eine Wirksamkeit von 4–6 Stunden erzielen.

Die Hauptnebenwirkungen der β2-Agonisten umfassen Tachykardien und Ruhetremor. Hypokaliämien können vermehrt zu Therapiebeginn auftreten, speziell in Kombination mit Thiaziddiuretika.

Antimuskarinika

Zu den Bronchodilatatoren vom antimuskarinischen Typ (LAMA – long acting muscarinic antagonists, SAMA – short acting muscarinic antagonists) zählen Tiotropium, Glycopyrronium oder etwa Ipratropium. Sie wirken subjektiv ähnlich wie die β-Agonisten, ihre Wirkung setzt aber etwas später ein als die der SABAs. Antimuskarinika verbessern Lungenfunktion, Lebensqualität und Exazerbationsrate.

Auch diese Wirkstoffgruppe produziert anticholinerge Nebenwirkungen, hauptsächlich Mundtrockenheit. In Zusammenhang mit Ipratropium wurde eine geringe Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse berichtet.

Der direkte Kontakt der Wirkstoffe mit dem Auge sollte vermieden werden (Inhalationsmasken), da er ein akutes Glaukom auslösen kann.

Kombinationen

Um die Bronchodilatation zu verlängern und die Inzidenz der Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, werden Bronchodilatatoren mit verschiedenen Wirkmechanismen kombiniert. Bevorzugt erfolgt dies in einem Kombinationspräparat, da das zusätzlich die Compliance der Patienten verbessert. Inhalatoren müssen so gewählt werden, dass sie für den Patienten leicht anzuwenden sind. Eine umfassende Patientenschulung ist das Um und Auf der COPD-Therapie. Ist die Inhalationstechnik schlecht, kommt der Wirkstoff nicht an den Wirkort, sprich: die COPD bleibt sozusagen untherapiert, was vermehrt Exazerbationen hervorruft, die wiederum Krankenhausaufenthalte mit sich bringen und die Lebensqualität erheblich senken. Eine pharmakologische COPD-Therapie sollte sich immer nach einem Step-up/Step-down-Prinzip orientieren, sprich: geht es dem Patienten gut, kann eventuell ein Wirkstoff weggelassen werden, geht es ihm schlechter oder tauchen vermehrt Exazerbationen auf, wird die Therapie eskaliert.

Inhalative Kortikosteroide

Rezente Studien haben gezeigt, dass eine Fixkombination aus LAMA/LABA/ICS Lungenfunktion und Symptomatik verbessern und die Exazerbationsinzidenz senken. Bei Patienten ohne Exazerbationshistorie wird der Einsatz von inhalativen Kortikosteroiden bei COPD allerdings eher kritisch diskutiert. Gegenüber LAMA/LABA-Kombinationen konnte ein deutlicher Benefit für symptomatische Patienten mit häufigen oder schweren Exazerbationen gezeigt werden. Allerdings erhöht eine Dauertherapie mit ICS auch die Pneumonie-Inzidenz, speziell bei Patienten mit schwerer COPD.

Orale Kortikosteroide

Bei akuten Exazerbationen werden orale Kortikosteroide verabreicht, für eine Langzeittherapie gibt es allerdings keinerlei Evidenz, aber dafür zahlreiche Nebenwirkungen.

PDE-4-Inhibitoren

Roflumilast wirkt antiinflammatorisch durch eine Inhibition des Abbaus von intrazellulär zyklischem AMP. Es wird als Add-on-Therapie verordnet, bei schwerer bis sehr schwerer COPD mit erhöhtem Exazerbationsrisiko.

Roflumilast entfaltet seine Wirkung erst nach ca. 4 Wochen. Es kann gastrointestinale Nebenwirkungen auslösen, die eher zu Beginn der Therapie auftreten. Ein häufiger Nebeneffekt des Wirkstoffs ist Gewichtsverlust, daher sollte der Wirkstoff bei untergewichtigen Patienten eher vermieden werden.

Antibiose

Zur Langzeitprophylaxe von Exazerbationen kommt Azithromycin oder Erythromycin infrage, allerdings sind beide Wirkstoffe nur über eine Dauer von einem Jahr getestet. Beide Wirkstoffe sind potenziell ototoxisch und haben zahlreiche Interaktionen und Nebenwirkungen. Eine solche Langzeitantibiose ruft vermehrt bakterielle Resistenzen hervor und sollte daher nur einer ausgewählten Patientengruppe verordnet werden.

Impfungen

Pneumokokken-, Influenza- und COVID-Impfung sollten allen COPD-Patienten empfohlen werden.

Sauerstoffersatztherapie

Bei akuten Exazerbationen zählt Sauerstoffersatz zu den Grundbausteinen der Therapie.

Stabile COPD-Patienten mit einer Sauerstoffsättigung ≤88% bekommen eine Langzeitsauerstoffersatztherapie. Diese sollte allerdings alle 60–90 Tage re-evaluiert werden.

Behandlungsschema zur medikamentösen Langzeittherapie:

Abbildung übernommen von „Nationale Versorgungsleitlinien COPD“

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