Medikationsanalyse: Ein Transplantationspatient
MEDIKATIONSANALYSE – TEIL 11 – Herr Huber ist ein Stammkunde in Ihrer Apotheke. Seit seiner Nierentransplantation vor 6 Monaten geht es ihm deutlich besser als mit der Dialyse. Was ihn allerdings sehr stört ist der Nagelpilz, den er auf seinen Zehennägeln gefunden hat. Er bringt Ihnen eine Packung Flucosept®, die ihm sein Nachbar gegeben hat („bei dem hat das ausgezeichnet geholfen“) und fragt, ob er das nicht auch nehmen kann.
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Herr Huber ist ein Stammkunde in Ihrer Apotheke. Seit seiner Nierentransplantation vor 6 Monaten geht es ihm deutlich besser als mit der Dialyse. Was ihn allerdings sehr stört ist der Nagelpilz, den er auf seinen Zehennägeln gefunden hat. Er bringt Ihnen eine Packung Flucosept®, die ihm sein Nachbar gegeben hat („bei dem hat das ausgezeichnet geholfen“) und fragt, ob er das nicht auch nehmen kann.
Außerdem würde er gerne etwas für seine Stimmung mitnehmen. Ab und zu fühlt er sich überfordert und sorgt sich um seine Gesundheit. Er hat gehört, da gibt es etwas Pflanzliches um die Stimmung etwas zu heben. Das hätte er gern gleich mitgenommen.
Beim Durchbesprechen seiner Medikation erzählt er, dass sein Bekannter Advagraf® nimmt, aber nur einmal täglich. Ihm wäre viel lieber, wenn er auch nur eine Tablette nehmen müsste und er möchte wissen, ob man das nicht tauschen könnte, die Inhaltsstoffe sind ja die gleichen. Überhaupt wäre er froh, wenn er ein bisschen weniger Medikamente nehmen müsste und er möchte wissen, ob er nicht irgendetwas weglassen kann.
Medikationsliste der Patienten
Aprednislon® 12,5mg | 1-0-0 |
Prograf® 1mg | 1-0-1 |
Myfenax® 1g | 1-0-1 |
Thrombo ASS® 100mg | 0-1-0 |
Pantoloc® 40mg | 1-0-0 |
Amlodipin/Valsartan/HCT 5/160/12,5 | 1-0-0 |
Paracetamol 500mg | Bei Schmerzen |
Lerntext
Nierentransplantation
Im Jahr 2020 wurden in Österreich 335 Nieren transplantiert. Es handelt sich hierbei um das häufigste Transplantationsorgan. 44 dieser Nierentransplantationen wurden von Lebendspender:innen entnommen. Im Gegensatz zu Deutschland folgt die österreichische Rechtslage zur Organtransplantation der Widerspruchslösung (sie besagt im Kern, dass eine Organentnahme zulässig ist, wenn nicht zu Lebzeiten widersprochen wurde).
In den meisten Fällen kommt zu einer Nierentransplantation bei einer chronischen Niereninsuffizienz (bei einer terminalen Niereninsuffizienz ist eine Transplantation der Dialyse überlegen). Die transplantierten Nieren werden nicht an die Stelle der eigenen Nieren gesetzt, sondern im Beckenbereich transplantiert. Die nicht mehr funktionierenden Nieren verbleiben im Körper. Meist beginnt die neue Niere schon während des Eingriffs ihre Arbeit aufzunehmen, es können aber auch noch einige Dialysezyklen notwendig sein.
Die Prognosen einer Nierentransplantation sind sehr gut (Transplantat-Überleben ca. 14 Jahre). Die Lebendspende hat eine insgesamt bessere 5-Jahres-Prognose bezüglich der Transplantatfunktion im Vergleich zur Leichenspende (nach 5 Jahren funktionieren noch ca. 70% aller transplantierten Nieren, bei Nieren von Lebendspendern liegt die Rate bei ca. 84%). Zudem ist auch die Lebenserwartung der Empfänger höher bei der Lebendspende.
Um eine Abstoßungsreaktion des Körpers gegen die Spenderniere zu verhindern folgt nach der Nierentransplantation eine lebenslange Immunsupression. Die Therapie erfolgt individuell auf den Patienten angepasst, ein Standardschema ist initial eine Triple-Drug-Therapie (Calcineurin-Inhibitoren, Prednisolon, Mycophenolat-Mofetil). Bei einem komplikationslosen Verlauf erfolgt nach 2-6 Monaten eine Dosisreduktion. Die Prednisolon-Dosen sollten unter die Cushing-Schwelle (7,5mg/Tag) gesenkt werden. Oft können auch die Dosen der anderen Medikamente reduziert werden.
Häufige Symptome einer Abstoßungsreaktion nach einer Transplantation sind:
- Abgeschlagenheit/Müdigkeit
- verringerte Urinausscheidung
- Ödeme
- Gewichtszunahme
- erhöhter Blutdruck
- Temperaturanstieg/Fieber
- Schmerzen im Bereich der transplantierten Niere
Je früher auffällige Veränderungen vom Patienten bemerkt werden, desto besser können Komplikationen vom behandelnden Arzt erkannt und therapiert werden.
Nach einer Nierentransplantation ist durch die Einnahme der Medikamente einerseits das Risiko der Patienten für bestimmte Herz-Kreislauferkrankungen erhöht, andererseits steigt auch das Risiko für gewisse Tumore und Depressionen. Zusätzlich dazu können folgende Probleme/Erkrankungen nach einer Nierentransplantation auftreten:
- Chronische Allograft Nephropathie: ist eine Erkrankung des Transplantats, wobei dessen Funktion abnimmt. Sie ist der häufigste Grund für ein Versagen des neuen Organs.
- Diabetes mellitus: tritt der Diabetes nach einer Transplantation neu auf, spricht man von einem Post-Transplant-Diabetes mellitus (PTDM) oder New-Onset-diabetes after Transplantation (NODAT).
- Virusinfektionen: Das Polyoma BK Virus ist ein für die Niere sehr gefährlicher Virus, der aber nur bei immunsupprimierten Patienten zu Symptomen führt, obwohl er in der Bevölkerung weit verbreitet ist.
In den ersten Wochen nach einer Transplantation sollten Patienten auf eine keimarme Ernährung achten, um Infektionen zu vermeiden: rohes Fleisch, rohe Eier und Rohmilchprodukte sollten gegen gut erhitzte Zubereitungen ausgetauscht werden. Obst und Gemüse sollten sehr gründlich gewaschen werden (im Zweifel schälbares Obst/Gemüse bevorzugen).
Zum Schutz vor Infektionen gehören auch langfristige Hygienemaßnahmen wie häufiges und gründliches Händewaschen mit Seife, Duschen statt Baden (die Übertragung von Pilzen ist durch aufgeweichte Haut einfacher), kleine Wunden sofort zu desinfizieren oder den Rachen auf weißlichen, abstreifbaren Belag zu kontrollieren (Pilzbefall). Außerdem sollte auf Anzeichen von Fuß- bzw. Scheidenpilz (und Nagelpilz) geachtet werden.
PHARMAKOLOGIE
Calcineurin Inhibitoren: inaktivieren/hemmen die Serin-Threonin -Phosphatase Calcineurin. Calcineurin ist zuständig für die Transkription von Zytokinen, die einen Teil der Immunantwort darstellen. Dadurch wirkt diese Medikamentengruppe immunsupresssiv. Achtung: es erfolgt eine Metabolisierung über CYP 3A4 (hohes Wechselwirkungsrisiko wegen geringer therapeutischer Breite)
Ciclosporin A: hemmt durch Komplexbildung die Phosphatase Aktivität von Calcineurin. Die Wirkung ergibt sich aus der Hemmung der Aktivität der T-Zellen sowie der von ihnen ausgelösten Immunantwort. Ciclosporin wird über CYP 450 3A metabolisiert und hat eine geringe therapeutische Breite. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt bei ca 6 Stunden (ca 20 h bei Patienten mit schweren Lebererkrankungen).
- UAW: Tremor, Kopfschmerzen, Hyperlipidämie, Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen, Elektrolytverschiebungen, Parästhesien, Gingivahyperplasie
Tacrolimus: bindet nach Komplexbildung an Calcineurin und inhibiert dieses. Die Resorption nach oraler Gabe liegt zwischen 20-25% (Achtung: individueller Schwankungsbereich bei erwachsenen Patienten von 6-43%, nach einer Mahlzeit ist die Bioverfügbarkeit geringer). Wird durch CYP Isoenzyme metabolisiert, besitzt eine niedrige Clearance und eine lange Halbwertszeit (bei gesunden Erwachsenen ca 43h).
- UAW: Tremor, Schlaflosigkeit, Diabetes mellitus, Elektrolytverschiebungen (v.a. Hyperkaliämie), Durchfall, Übelkeit, Haarausfall
Prednisolon: beeinflusst den Glucocorticoid Rezeptor des Zytosols fast aller Gewebe und wirkt dadurch immunsupresssiv. Die maximale Serumkonzentration nach oraler Gabe wird nach 2-3 Stunden erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 3 Stunden, die Wirkdauer kann bis zu 36h betragen.
- UAW (vor allem bei längerer, hochdosierter Anwendung): Morbus Cushing, Gynäkomastie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Elektrolytverluste, Osteoporose, Muskelatrophie, gastrointestinale Blutungen, Wachstumshemmung bei Kindern
Interaktionen:
NSAR, Salicylate, Indometacin: erhöhte Gefahr für Magen-Darm Ulzera,
Schleifendiuretika, Thazide, Laxantien: verstärkte Hypokaliämie
Insulin, orale Antidiabetika: verminderte Blutzuckersenkung,
ACE Hemmer: vermehrte Blutbildveränderungen
Mycophenolat-Mofetil: wird im Körper in die Mycophenolsäure umgewandelt und hemmt die Proliferation von B- und T-Lymphozyten durch eine Hemmung der Synthese von Guanosin.
- UAW: Diarrhoe, Emesis, Leukopenie, Sepsis, erhöhtes Risiko für Hautmalignome, Hypercholesterinämie, Hyperglykämie, Elektrolytverschiebungen, kontraindiziert in der Schwangerschaft
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