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Medikationsmanagement: Der bunte Hund unter den Taktgebern
MM Kurs Teil 58
MEDIKATIONSMANAGEMENT – Teil 58 - Amiodaron ist das häufigst verordnete Antiarrhythmikum. Es ist gut wirksam, aber in Bezug auf sein Sicherheitsprofil nicht unproblematisch.
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Amiodaron ist das häufigst verordnete Antiarrhythmikum. Es ist gut wirksam, aber in Bezug auf sein Sicherheitsprofil nicht unproblematisch.
Amiodaron ist ein Kaliumkanal-Blocker und damit ein Klasse-III-Antiarrhythmikum. Zusätzlich besitzt der Arzneistoff allerdings auch natrium- und calciumkanalinhibierende Wirkung, blockiert die Betarezeptoren und erweitert über eine Alpharezeptorenblockade die Koronararterien.
Daraus resultiert eine erwünschte Verlängerung der Repolarisation und eine Senkung der Herzfrequenz – und das ohne nennens-werten Einfluss auf Leitungsgeschwindigkeit und Schlagkraft des Herzens: All diese Eigenschaften machen Amiodaron zu einem wertvollen Mittel gegen Herzrhythmusstörungen bei verschiedenen Formen von ventrikulären und supraventrikulären Arrhythmien.
1. Komplexbildung mit Lipiden
Amiodaron ist ein besonders lipophiler Arzneistoff und bildet Komplexe mit Lipiden, die sich in die Gewebe einlagern. Diese Besonderheit führt einerseits zu bestimmten Nebenwirkungen und ist andererseits für die exorbitant hohe
Eliminationshalbwertszeit des Antiarrhythmikums verantwortlich: Diese wird mit 20–100 (!) Tagen angegeben.
▶ Der Arzneistoff kann noch monatelang im Körper verbleiben kann, nachdem die Therapie bereits beendet wurde. Dementsprechend können sich kardiale Probleme auch erst Wochen nach dem Absetzen wieder zurückmelden.
▶ Aufgrund der Einlagerung in die lipophilen Kompartimente zu Beginn der Therapie ist über 1–2 Wochen eine Aufsättigungsphase mit sehr hohen Dosen erforderlich, bis die Erhaltungsdosis von 200 mg (entspricht 1 Tbl. Sedacoron®)verwendet werden kann.
2. Umfangreiches Monitoring nötig
Unter Dauertherapie mit Amiodaron sind laufende Kontrolluntersuchungen nötig:
Augen: Die Einlagerung in die Gewebe zeigt sich z.B. auch am Auge: Bekannt sind Ablagerungen in die Hornhaut, die sogar zu Sehstörungen führen können. Der Patient sieht „wie durch einen Schleier“ oder nimmt Farbsäume rund um Lichtquellen wahr. Diese Erscheinungen sind spätestens ein Jahr nach der Dosisreduktion oder dem Absetzen der Substanz reversibel.
! Augenärztliche Untersuchungen unter Amiodarontherapie sind generell wichtig. Auch Auswirkungen auf den Sehnerv wie eine Optikusneuritis oder eine optische Neuropathie mit Erblindungsgefahr sind beschrieben.
Schilddrüse: Der hohe Jodgehalt des Arzneistoffmoleküls, der mit dessen pharmakologischer Wirkung verknüpft zu sein scheint, bedingt mögliche Nebenwirkungen auf die Schilddrüse. Häufig werden Hyperthyreosen, sogar mit bedrohlichen Ausprägungen, ausgelöst, seltener kommt es zu Hypothyreosen.
! Ein Monitoring der Schilddrüsenfunktion ist daher bereits vor Therapiebeginn vorgeschrieben und sollte während der
Medikation (und bis zu ein Jahr danach) alle sechs Monate wiederholt werden !
Lunge: Durch den Arzneistoff können zudem schwerwiegende entzündliche Lungenerkrankungen und sogar Lungenfibrosen ausgelöst werden.
! Thorax-Röntgen und Lungenfunktionsprüfung vor der Therapie und dann alle 3–6 Monate sind Bestandteil der Überwachung. Allfällige Atembeschwerden sollten aufgrund der möglichen lungentoxischen Wirkungen des Medikaments nicht verharmlost, sondern rasch einer Abklärung zugeführt werden !
3. Phototoxizität und Hyperpigmentierung
Denkbar schlecht vertragen sich Sonne und Amiodaron, dem Antiarrhythmikum wird eine ausgeprägte Phototoxizität zugeschrieben. Der erhöhten Gefahr von Sonnenbränden mit Erythemen und Hautausschlag muss durch verstärkte Sonnenschutzmaßnahmen (Sonnenschutzpräparate, Kleidung) Rechnung getragen werden. Aufgrund der langen Halbwertszeit gilt dies auch noch nach Therapieende.
Werden weitere Substanzen mit lichtsensibilisierender Wirkung dazukombiniert (etwa Hydrochlorothiazid), so verstärkt sich der Effekt.
Insbesondere an sonnenexponierten Hautstellen kann bei etwa sieben Prozent der Patienten nach längerer Anwendung von Amiodaron auch ein anderes Phänomen beobachtet werden: schwarzviolette bis gräuliche Hyperpigmentierungen, die einer Zyanose nicht unähnlich sind („Pseudozyanose“). Die Verfärbungen sind reversibel, allerdings erst in beachtlichen Zeiträumen von ein bis vier Jahren.
4. QT-Verlängerung und Rhythmusstörungen
Die Kehrseite aller antiarrhythmischen Substanzen ist ihre Eigenschaft, unter Umständen auch proarrhythmogen wirken zu können. Auch Amiodaron kann potenziell Bradykardien, QT-Verlängerung und Torsade de pointes auslösen. Daher muss Folgendes beachtet werden:
▶ Die Kombination mit anderen Antiarrhythmika, einschließlich Betablockern und den Calciumkanalblockern Verapamil und Diltiazem, wird nicht empfohlen, da es zu Überleitungsstörungen und Bradykardien kommen kann.
▶ Die Kombination mit anderen potenziellen Auslösern von QT-Zeitverlängerung/Torsade de pointes muss vermieden werden. Dazu zählen z.B. auch gängige Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone und Makrolide.
▶ Risikofaktoren, die zur QT-Verlängerung beitragen, wie etwa Hypokaliämien, sollten vermieden werden. Die Komedikation mit anderen Medikamenten, die zu einem Kaliumabfall führen können, muss ärztlich streng überwacht werden, in der Selbstmedikation ist z.B. die Komedikation mit Laxanzien zu vermeiden, die bei Übergebrauch ebenfalls zu Hypokaliämien führen können.
5. Hemmstoff von CYP und pGP
Über die Beeinflussung des CYP- und pGp-Systems ergibt sich bei Amiodaron noch ein Interaktionspotenzial anderer Art: Die Substanz gilt als Induktor von CYP 3A4 und pGP, ferner wirkt sie auch auf die CYP 2C9 und 2D6 als Hemmstoff. Daher ist Folgendes zu beachten:
▶ Es können heikle Interaktionen entstehen, etwa die Verstärkung der blutgerinnungshemmenden Wirkung von Phenprocoumon, Rivaroxaban und Dabigatran.
▶ Da der Abbau von CYP-3A4-metabolisierten Statinen durch Amiodaron eingeschränkt wird, wird empfohlen, ein nicht interagierendes Statin zu verwenden.
▶ Bei paralleler Therapie mit Simvastatin darf eine Tagesdosis von 20 mg des Cholesterinsenkers nicht überschritten werden.
6. Tipps für die Tara
▶ Da Amiodaron eine Reihe von pharmakodynamischen (QT-Verlängerung) sowie pharmakodynamischen
Wechselwirkungen (über das CYP- und pGP-System) aufweist, ist die Substanz immer als potenzieller Interaktionskandidat zu betrachten. Ein Interaktionscheck bei neu hinzukommenden Medikamenten ist daher angebracht. Wichtige potenzielle Interaktionspartner sind einige Blutgerinnungshemmer, CYP-3A4-metabolisierte Statine und QT-verlängernde Antibiotika sowie die CYP-2D6-metabolisierten Arzneistoffe Tramadol, Tamoxifen und Codein.
▶ Das vorgeschriebene Monitoring unter Amiodarontherapie umfasst neben EKG- und Leberkontrollen in Abständen auch Schilddrüsen-, Lungen- und Augenuntersuchungen. Der Patient sollte dazu ermuntert werden, diese einzuhalten.
▶ Bei Hinweisen auf Herzrhythmusstörungen (Schwindel, verstärktes Herzklopfen, Herzrasen, Ohnmachtsanfälle) sollte unverzüglich der Gang zum Arzt empfohlen werden. Ebenso gilt dies bei Verdacht auf Lungennebenwirkungen (Atembeschwerden) oder Sehstörungen sowie bei Symptomen, die auf Veränderungen der Schilddrüsenfunktion zurückgeführt werden könnten (z.B. Gewichtsschwankungen, Veränderungen von Wärmeempfinden und Pulsfrequenz).
▶ In der sonnenreichen Jahreszeit sollte der Amiodaronanwender über die Notwendigkeit von Sonnenschutzmaßnahmen aufgeklärt werden, um phototoxische Effekte zu vermeiden.
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